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Selbstsabotage: Machen wir uns doch nichts vor!

Manchmal machen wir uns gerne etwas vor. Wir erzählen uns eine Geschichte, um uns zu beruhigen. Zum Beispiel: „Rauchen ist zwar nicht gesund, aber Helmut Schmidt ist ja trotz Mentholzigaretten 96 Jahre alt geworden. Warum also gleich überstürzt aufhören?“ Diese Art des Selbstbetrugs bedeutet zudem Selbstsabotage. Denn mit solchen Stories befreien wir uns von dem Druck, eine liebgewonnene Komfortzone zu verlassen. Selbst, wenn das eigentlich in unserem Interesse wäre. Stattdessen lullen wir uns selbst ein. Was im kleinen Maßstab in der ein oder anderen Weise auf jeden Einzelnen von uns Zutrifft, gilt im größeren Maßstab auch für ganz Unternehmen. 

Beispielsweise, wenn es um die Werte und die Unternehmensphilosophie geht. Fragen Sie sich nicht manchmal auch, woher die Liste an positiven Werten und Zuschreibungen in einem Betrieb kommt? Von modernen Arbeitgebern liest man da oft, lebendigen Unternehmenskulturen, starken Teams, der Möglichkeit zur Entfaltung persönlicher Potenziale. Wie häufig solche Einschätzungen eher auf dem Wunschdenken der Geschäftsführung als auf Umfragen unter den Mitarbeitenden basieren, zeigt dann ein Abgleich mit Kununu. Wenn man sich etwas nur oft genug laut vorsagt, glaubt man es eben irgendwann selbst. Dabei muss die zugrundeliegende Einschätzung nicht einmal immer schon so schief gewesen sein – lediglich der regelmäßige Abgleich mit der Realität ist über die Zeit etwas verloren gegangen. Der unternehmerische Selbstbetrug findet dann statt, wenn Firmen sich der veränderten Realität nicht stellen wollen – und damit Selbstsabotage begehen, weil sie sich die Chance auf Weiterentwicklung versagen. 

 

 Ein regelmäßiger Realitätsabgleich ist wichtig 

So wie viele von uns vielleicht den Zeitpunkt aufschieben, dann doch langsam mal mit dem Sport anzufangen – weil man es ja noch gerade so ohne Keuchhustenanfall über die Treppe in den zweiten Stock schafft. Kein Handlungsbedarf also. Veränderung? Nicht jetzt. Läuft doch! Ebenso schieben manche Unternehmen den Punkt hinaus, an dem sie sich der neuen Realität stellen und etwas verändern müssten. Immer wieder verlassen Mitarbeiter das Unternehmen? So sind die Zeiten eben. Wir haben jedenfalls noch jede ausgeschriebene Stelle besetzen können. Läuft doch noch! Kunden wechseln zum Wettbewerber? Dann müssen wir eben die Kaltakquise kräftig ankurbeln. Das fangen wir wieder auf – läuft doch! Bloß nicht zu genau analysieren, was aus welchen Gründen da gerade etwas passiert. Auch das sind klare Symptome der unternehmerischen Selbstsabotage. 

 Das ist alles freilich sehr überspitzt. Aber einmal Hand auf’s Herz: wie lange hängen Sie gewohnten und bewährten Mustern an, bevor Sie etwas ändern? Selbstbetrug ist eine Art Schutzschild, um uns vor Unbequemem zu schützen. Wikipedia ist voll von Einträgen zu Unternehmen, die dem Selbstbetrug verfallen sind und sich mit wohlig-warmen Geschichten von der eigenen Unverzichtbarkeit eingelullt haben. Filmhersteller Kodak, Versandhaus Quelle, Computerpionier Commodore, Radiohersteller Saba – sie alle legen Zeugnis ab von der Wichtigkeit, Veränderungen rechtzeitig umzusetzen. Und sie alle haben sich damit selbst sabotiert. 

Veränderung ist selten bequem, aber besser als Stillstand 

Es gibt auch zahlreiche positive Beispiele: Als die Zeit der papiernen Spielkarten in den 50er Jahren für Nintendo keine Zukunft mehr versprach, sattelte man recht experimentierfreudig auf völlig andere Branchen um. Im Bereich Unterhaltungselektronik ist der japanische Gigant heute fest etabliert. Wrigley’s begann mit Seife und Backpulver, Samsung war einmal ein Lebensmittelhändler und Lego stellte ausschließlich Holzspielzeug her. Sie alle haben die Zeit überdauert, weil sie sich nichts vorgemacht haben. Stattdessen haben sie sich der Realität gestellt und Veränderungen eingeleitet. Wer den Wandel gestalten will, muss ihn allerdings auch erkennen wollen. 

Bequem ist eine solche Veränderung nie. Die Wahrheiten, die bei genauerem Hinschauen zutage treten, sobald man die alte und eingespielte Erzählung einmal hinterfragt, sind nicht immer schmeichelhaft. Aber der Wandel ist unvermeidbar, gerade in Zeiten einer sich beschleunigenden Digitalisierung. Und diese Art der Selbstsabotage kann und muss durchbrochen werden. Schreiben Sie statt einer Geschichte, die einmal wahr war, lieber eine neue, die heute wahr ist. Hören Sie Mitarbeitern und Kunden zu, hinterfragen Sie sich und Ihre Arbeit regelmäßig. Auch wenn es unbequem ist, ist es nötig. Und nun entschuldigen Sie mich, ich muss mit den Kollegen vom Think-Tank zum Sport, wir müssen uns noch einiges durch den Kopf gehen lassen …