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Disruption und Tradition: Es geht um den Spirit, nicht um das Logo

Nintendo stellte Spielkarten her, Nokia Toilettenpapier und Lego Holzspielzeug. Heute sind diese Marken für andere Produkte bekannt. Ihre Geschäftsfelder haben sich radikal gewandelt und sie haben den damit einhergehenden Umbrüchen erfolgreich getrotzt. Das ist alles andere als selbstverständlich, denn die zentrale Frage für jedes Unternehmen – auch in der Logistik – lautet: Wie viel Tradition muss bewahrt, wie viel Disruption gewagt werden? Warum längst nicht jedes Unternehmen eine erfolgreiche Antwort auf den Wandel – auch Change genannt – findet und warum die Lösung auch nicht unter einer Laterne zu finden ist.

Suchscheinwerfer müssen schon richtig justiert sein

Der Wandel ist ein sensibles Thema. Der Kommunikationsforscher Paul Watzlawick benannte dazu in seiner „Anleitung zum Unglücklichsein“ ein Konzept mit der Überschrift „Mehr desselben“. Dazu liefert er ein Beispiel:

Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht intensiv nach etwas. Ein vorbeigehender Polizist fragt ihn, was er verloren habe. „Meinen Schlüssel”, antwortet der Mann. Der hilfsbereite Gesetzeshüter schließt sich darauf der Suche an, bis er nach einiger Zeit der erfolglosen Untersuchung wissen will, ob der Mann sicher sei, seinen Schlüssel gerade an dieser Stelle verloren zu haben. Darauf erklärt dieser: „Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu dunkel.“

Dies beschreibt – wie ich finde – auf anschauliche Weise, wie einige Unternehmen den Wandel angehen. Es werden Maßnahmen in Angriff genommen, die zunächst logisch und sinnvoll erscheinen, eben dort, wo man gut sieht. Dass das allerdings nicht immer auch die richtige Stelle sein muss, zeigt sich daran, dass der Erfolg ausbleibt. Nun wird allerdings nicht die Maßnahme hinterfragt. Vielmehr wird unterstellt, dass man sich nicht genügend bemüht hat, also werden die Aktivitäten mit mehr Engagement verstärkt. Aber wird es dadurch zwangsläufig besser? Mit anderen Worten: Es lohnt sich nicht, an Lösungswegen festzuhalten, die nicht zum Erfolg führen. Vielleicht waren sie in der Vergangenheit bei anderen Herausforderungen hilfreich und haben funktioniert. Das macht sie allerdings nicht zu Universalschlüsseln für jedes Problem. Hätte Nintendo beispielsweise an der Herstellung von Spielkarten festgehalten, obwohl deren Beliebtheit drastisch zurückging, wäre das Unternehmen vielleicht längst verschwunden. Und würden Logistiker heute noch mit Lochkarten arbeiten und alte Rundhauber-Lkw fahren, wären sie ganz sicher auch nicht mehr konkurrenzfähig. Entscheidend für einen gelungenen Wandel ist es also, dass die Suchscheinwerfer sozusagen bei der Identifizierung des Problems und beim Einleiten entsprechender Maßnahmen auch richtig justiert sind.

Es kommt auf den Spirit an, nicht auf die Chronik

Die Anpassung an äußere Umstände ist allerdings nur eine Facette. Ebenso wichtig ist es, den eigentlichen Kern dessen nicht zu verlieren, was das Unternehmen erfolgreich gemacht hat. Nennen wir es den Spirit, weil es um mehr geht, als sich der eigenen Tradition bewusst zu sein. Es geht nicht darum, eine Chronik zu pflegen und akribisch alle historischen Unterlagen in einem Archiv zu sammeln. Es geht darum sich klarzumachen, was die besonderen Stärken des eigenen Unternehmens sind, um sich darauf zu besinnen.

Wenn es um den Wandel im Unternehmen geht, sieht das nicht selten so aus: Es wird ein neuer Claim zusammen mit einem neuen Logo entworfen. Beide werden unheimlich stark mit sublimen Botschaften aufgeladen, die bei der Zielgruppe und weiteren Stakeholdern natürlich sofort bestimmte Assoziationen und unterbewusste Impulse auslösen. In der Theorie zumindest. Der Prozess dauert ein bis zwei Jahre, kostet reichlich Geld und bringt am Ende herzlich wenig, wenn er nicht auf einer Change-Strategie mit zahlreichen weiteren Maßnahmen fußt. Denn Wandel findet nicht an der Oberfläche statt. Mit dem Wissen über den eigentlichen Spirit ihrer Firma haben Sie dagegen bereits einen guten Kompass für Veränderungen und wissen, was sich über die Jahre bewährt hat. Das können Aspekte wie besondere Kundennähe und Vernetzung in einem speziellen Bereich sein oder eine grundsätzliche Philosophie darüber, wie sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Ihnen fühlen sollen.

Wandel ist mehr als ein neues Logo

Es gibt wenige universelle Lehren in diesem Zusammenhang. Für jedes Unternehmen sehen die nötigen Entscheidungen anders aus. Gegebenenfalls empfiehlt es sich, bei Change-Prozessen externe Berater hinzuzuziehen, die den gesamten Vorgang begleiten und coachen. Aber auch hier gilt, dass es die richtige Wahl sein muss und die Beratung mit der unbedingt notwendigen Fachkompetenz der jeweiligen Branche einhergeht. Eine grundsätzliche Regel ist, sich nicht nur einen neuen Anstrich zu geben, sondern Prozesse unter der Oberfläche anzugehen. Was in der Vergangenheit funktioniert haben mag, ist womöglich schon längst nicht mehr zeitgemäß. Also hören Sie auf, unter der Laterne zu suchen. Für Logistiker bedeutet das: Schluss mit Software-Insellösungen oder Workarounds, wenn die digitale Welt sich doch längst weitergedreht hat. Change ist eben mehr als ein neues Logo.